Gegen Unterdrückung – Für den Widerstand

 

Seit dem Jinnah-Aufstand wurden mehr als 520 Menschen getötet (darunter 70 Minderjährige) und mehr als 20.000 Menschen verhaftet. Das iranische Regime ist technisch hochausgerüstet und verfügt über sehr viel Expertise.

Es wurden zahlreiche, allzu allgemeine Berichte über die Unterdrückung und den Widerstand im Iran veröffentlicht. Was fehlt ist der Zugang zu zusammengefassten, präzisen und prägnanten Informationen über die spezifischen Formen der Unterdrückung und besonders auch des Widerstands. Diese Broschüre soll euch diese Informationen zur Verfügung stellen. Hier listen wir in sehr knapper Form die Methoden und Formen der Unterdrückung durch das iranische Regime auf, insbesondere während des jüngsten Aufstands. Und was noch wichtiger ist: Wir zeigen auch einige Formen und Methoden des Volkswiderstands auf. Denn wir glauben, dass es überall dort, wo es Unterdrückung und Repression gibt, auch Widerstand gibt.

1. Methoden und Formen der Repression des iranischen Regimes

1.1) Repression auf den Straßen und im öffentlichen Raum

-Schießen mit scharfer Munition auf Demonstrant*innen, u. a. mit Scharfschützengewehren.

-Absichtliches Überfahren von Demonstrierenden mit Fahrzeugen

-Schüsse auf Demonstrant*innen aus nächster Nähe mit Schrotflinten, die zur Erblindung oder zum Tod geführt haben (in vielen Fällen wurden in den Körpern der Opfer mehr als 100 kleine Metallkugeln gefunden).

-Schüsse mit Schrotflinten auf die Genitalien, insbesondere auf Frauen.

-Militärischer Einmarsch in Kurdistan und Verhängung des Belagerungszustands in den Städten (Angriff mit schweren Waffen auf Häuser in Izeh, Kurdistan und Belutschistan).

-Beschuss von Autos, insbesondere von Autos, die bei Straßenprotesten hupten. Diese Aktionen führten in mehreren Fällen zum Tod der Fahrer*innen oder Beifahrer*innen (darunter ein 10-jähriges Kind in der Stadt Izeh).

-Zerschlagen der Schaufenster von Geschäften und der Türen der Häuser derjenigen, die den Demonstrierenden Zuflucht gewährten

-Vorsätzliche Zerstörung von Autos, Geschäften, Banken und Gebäuden mit der Absicht, sie den Demonstrant*innen zuzuschreiben.

-Einkesselung, Segregation und sexuelle Belästigung von Frauen, die auf der Straße demonstrieren.

-Einsatz von Krankenwagen zum Transport von Repressionskräften oder zum transportieren von Verhafteten

-Angriffe der Streitkräfte auf Schulen

-Angriff der Streitkräfte auf Universitäten und Studentenwohnheime sowie Verprügeln und Festnehmen von Student*innen, wodurch diese faktisch daran gehindert werden, ihr Studium fortzusetzen oder die betreffenden Wohnheime zu nutzen.

1.2) Druck auf die Familien der Opfer (Tote und Verletzte).

-Die Übergabe des Leichnams der Verstorbenen erfolgt unter der strikten Bedingung, dass die Familie erklärt, dass ihr Kind an einem natürlichen Tod, Selbstmord, Unfall, einer Überdosis Narkotika usw. gestorben ist.

-Verbot für Familien, die Tötung ihrer Kinder öffentlich anzuzeigen, da sonst die Verhaftung und Tötung weiterer Kinder oder Familienmitglieder droht.

-Druck auf die Familien der Getöteten, Fernsehinterviews zu geben und falsche Informationen über den Tod ihres Kindes zu verbreiten – z. B. die Behauptung, das Kind sei Mitglied der Polizei oder der Regierungsmiliz gewesen und von Demonstrant*innen getötet worden.

-Angriffe auf Beerdigungen von Toten, insbesondere mit Tränengas und Schüssen aus Kriegswaffen und Schrotflinten.

-Verprügeln und Verhaften von Teilnehmenden an Beerdigungen und Totengedenkfeiern (einschließlich Familienmitgliedern), um Druck auf die Familien auszuüben und die Menschen daran zu hindern, an ähnlichen Zeremonien teilzunehmen.

-Die Übergabe des Körpers der Verstorbenen erfolgt gegen die Zahlung einer hohen Geldsumme durch die Familien.

-Entführung von Verletzten während ihrer Behandlung in Krankenhäusern, um sie meist ins Gefängnis zu bringen. Infolgedessen kommen die Verletzten aus Angst vor dem Gefängnis nicht mehr in die Krankenhäuser, so dass die Behandlung ihrer Verletzungen (eine Reihe von Schlagstöcken, eine Schusswunde oder mehrere Kugeln im Körper) unprofessionell zu Hause durchgeführt wird, was in vielen Fällen zum Tod führt.

Druck auf medizinisches Personal in Krankenhäusern die Verletzten dem Geheimdienst auszuhändigen, sowie Verfolgung, Festnahme und Folter von Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen, die die Verletzten freiwillig und heimlich zu Hause behandeln (es gab auch Berichte über die Ermordung von medizinischem Personal).

-Inhaftierung und Folter von Familienangehörigen der Opfer.

1.3) Repression in den Gefängnissen und Druck auf die Familien der Inhaftierten

-Identifizierung und Entführung von Aktivist*innen an ihren Wohnorten, Arbeitsplätzen oder Universitäten. Inhaftierung in inoffiziellen Einrichtungen.

-Schwere körperliche und psychische Folter (weiße Folter) von Häftlingen: einschließlich langfristiger Isolation, grausamer körperlicher Folter und Androhung von Vergewaltigung oder Hinrichtung oder Verhaftung und Ermordung von Familienmitgliedern.

-Druck auf Inhaftierte, ein erzwungenes Geständnis abzulegen, zum Beispiel der Beihilfe zur Ermordung von Repressionskräften oder der Mitgliedschaft in oppositionellen Organisationen oder feindlichen Geheimdiensten.

-Nichtbekanntgeben des Aufenthaltsortes einer*s Gefangenen oder einer vermissten Person an seine*ihre Familie oder seinen*ihren Anwalt.

-Vergewaltigung und sexuelle Belästigung von Menschen aller Geschlechter im Gefängnis.

-Erfinden von fadenscheinigen Ausreden (z. B. Aufruhr), um die massive Repression (Prügel, scharfe Munition) gegen Gefangene zu rechtfertigen. Konkrete Beispiele sind die vorsätzliche Brandstiftung im Evin Lacan Rasht Gefängnis und Schussverletzungen im Qazal Hesar Gefängnis, die manchmal zum Tod vieler Gefangener führen.

-Folterung verletzter Gefangener (sowohl von verhafteten Demonstranten als auch von Gefangenen, die aufgrund der gezielten Repression gegen Gefangene verletzt wurden), indem sie nicht ins Krankenhaus oder sogar in die Krankenstation des Gefängnisses gebracht werden oder ihnen wichtige Medikamente vorenthalten werden.

Gefangene absichtlich krank machen: Während des Ausbruchs des Corona-Virus wurden Patient*innen neben politischen Gefangenen untergebracht und schwerkranken Gefangenen wurde der Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt.

-Fehlende medizinische Versorgung für Gefangene, die an chronischen Krankheiten leiden oder an Krankheiten leiden, die durch die Gefängnisbedingungen verursacht wurden.

Zwangsweise Verabreichung von psychoaktiven Medikamenten an Gefangene, insbesondere an Demonstrant*innen, die während des Jinnah-Aufstands festgenommen wurden. Es gibt zahlreiche Berichte über inhaftierte Demonstrant*innen (zumeist Jugendliche), die ein oder zwei Tage nach ihrer Freilassung verstorben sind.

-Angriff der Ordnungskräfte und der Streitkräfte in Zivil auf die Versammlung von Familien und unterstützende Einzelpersonen vor den Gefängnissen.

-Anstiftung von gewöhnlichen Häftlingen, zusätzlichen Druck auf politische Gefangene auszuüben, einschließlich Todesdrohungen.

-Fehlender Zugang zu Strafverteidiger*innen für festgenommene Personen.

-Hinrichtung von Demonstrant*innen

-Androhung der Hinrichtung, um ein Geständnis der*s Gefangenen zu erzwingen, und Durchführung künstlicher Hinrichtungen, die auf den psychologischen Zusammenbruch der Person abzielen.

-Versprechen der Behörden die Gefangenen freizulassen wenn die Familien die Verhaftung oder das Todesurteil nicht öffentlich machen. Wenn die Familien darauf eingingen wurden die Gefangenen dann doch plötzlich und ohne Wissen der Öffentlichkeit hingerichtet.

-Einschüchterung der Familienmitglieder der Gefangenen und Drohung, sie zu verhaften oder hinzurichten, wenn ihr Kind nicht kooperiert.

2. Methoden des Widerstands gegen Unterdrückung und Ausdruck von Solidarität

2.1) Widerstand auf den Straßen und im öffentlichen Raum.

Viele Menschen bei Beerdigungen und Begräbnissen oder Totengedenken, um Solidarität mit den Familien und dem Jinnah-Aufstand zu zeigen und diese Zeremonien zu einem Schauplatz des Kampfes gegen das Regime zu machen.

-Aus Solidarität mit den Streiks schließen kleine Geschäfte und das Volk verzichtet auf Einkäufe.

-Spontaner Protest von Schüler*innen auf den Straßen, indem sie Hymnen und Slogans singen oder Kopftücher ablegen und Slogans sprühen.

-Informationskampagnen und symbolischer Protest in Schulen und Universitäten um damit gegen den strengen Strukturrahmen dieser Institutionen anzukämpfen.

-Student*innenstreiks und Nichtteilnahme an Lehrveranstaltungen

-Streiks am Arbeitsplatz

-Angriffe auf Repressionskräfte auf Demonstrationen

-Angriffe auf Kasernen, Polizeistationen und Hawza-Schulen mit Molotovcocktails

-(brennende) Barrikaden auf den Straßen zum Schutz der Protestierenden

– Zerstörung von Portraits der Ikonen des Regims im öffentlichen Raum

-Massive Beteiligung am Nichttragen von Hijabs auf den Straßen im Iran.

-Im Ausland Nichttragen des Hidschab durch Frauen, die das Land repräsentieren (z. B. bei einem Schachturnier).

-Im Ausland Demonstrationen und Proteste vor Institutionen des iranischen Regimes

2.2) Widerstand in den Gefängnissen

-Nichtkooperation der Gefangenen und Weigerung, die Freiheitsbedingungen des Regimes zu akzeptieren, trotz allen Drucks, aller Folter und aller Drohungen. Sich Befragungen und erzwungenen Geständnisse verweigern.

Solidaritätserklärungen mit den draußen stattfindenden Kämpfen durch Gefangene im Gefängnis durch Unterzeichnung von Protestanzeigen, Veröffentlichung von Solidaritäts-Audiodateien usw.

-Hungerstreik und trockenen Hungerstreik (ohne Wasser)

-Streiks und Sitzblockaden von Frauen in Gefängnissen

-Koordination von Gefangenen für gemeinsames Singen von Gefangenen und Personen außerhalb des Gefängnisses.

-Anprangern von Verbrechen, die in den Gefängnissen begangen werden, durch entlassene Gefangene trotz der Gefahr einer erneuten Einweisung oder Vergeltungsmaßnahmen.

2.3) Widerstand der Familien von Getöteten und Gefangenen

-Öffentliche Anprangerung, detaillierte Darstellung der Fakten und Protest trotz Druck und Drohungen.

-Versammlung der Familien und ihrer Angehörigen vor den Gefängnissen, um Gefangene zu befreien oder die Hinrichtung von zum Tode Verurteilten zu verhindern.

-Öffentliche Begrüßung der freigelassenen Gefangenen an der Eingangstür der Gefängnisse

-Fortbestand und Stärke der organisierten Gruppe “Iranische Mütter die anprangern“.

2.3) Protestierende Kunst

-Kristallisierung revolutionärer Kunst in Form von Zeichnungen, Hymnen und Performances innerhalb und außerhalb des Iran.

Internationale Solidarität der progressiven Künstler*innen der Welt mit der Jin, Jiyan, Azadi- (Frau, Leben, Freiheit) Bewegung